Im kommenden Jahr finden in Niedersachsen die Kommunalwahlen statt. In Winsen wird zudem ein neuer Bürgermeister gewählt. Oft werden diejenigen, die sich in der Kommunalpolitik engagieren gefragt, warum sie sich das überhaupt antun.

Dazu ein Bericht von Dr. Dieter Bender, schulpolitischer Sprecher der SPD-Kreistagsfraktion sowie Mitglied der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Winsen:

Ich habe die feste Überzeugung, dass alles was wir tun, politisch ist. Wikipedia stellt dazu fest: „Politik bezeichnet jegliche Art der Einflussnahme und Gestaltung sowie die Durchsetzung von Forderungen und Zielen, sei es in privaten oder öffentlichen Bereichen.“ Jeder von uns Bürgern hat Forderungen an die Allgemeinheit und hat Ziele in der gesellschaftlichen Entwicklung seiner Lebensumgebung, selbst der jenige, der "Chillen" als Lebensziel hat.

Eindeutig wird derjenige, der sich einmischt in Entscheidungsprozesse, die seine Lebensbedingungen betreffen, erfolgreicher im Erreichen seiner Forderungen sein, als derjenige, der geduldig wartet, dass andere dies für ihn erledigen.

Mit der Absicht mich auf Kreisebene einzumischen, habe ich mich 2006 als Kandidat aufstellen lassen. Ich wurde direkt in den Kreistag gewählt, und sollte/durfte/musste sofort viele Dinge (mit-)entscheiden („die Hand heben“!), über die ich bis dahin nur sehr oberflächlich nachgedacht hatte. Es galt also viele Fragen zu stellen und insbesondere Argumenten zu widerstehen, die da lauten wie „Dies haben wir schon immer so gemacht“ oder „das haben wir schon vor … Monaten diskutiert und entschieden“. Mag ja alles so gewesen sein, aber ich habe von Anfang an versucht meine Überzeugungen anderen zu vermitteln und damit Mitstreiter zu gewinnen. Und in der Tat gab es in den zurückliegenden 4 Jahren einiges zu entscheiden – an wenigen Beispielen möchte ich den persönlichen Entscheidungsspielraum einmal umreißen:

  • Der Druck aus der Elternschaft zur Errichtung von Integrierten Gesamtschulen (IGS) stieg kreisweit, exponentiell seit Anfang der 1990er Jahre an. Insbesondere wurde dieser Druck spürbar in Buchholz, Jesteburg, Winsen und der Elbmarsch. Er wurde schließlich so stark, dass sich endlich eine Mehrheit der Kreistagsmitglieder – auch die konservativ Denkenden – zur Errichtung einer IGS durchrangen. Die Diskussion, in welchem Ort und an welchem Standort diese zu errichten sei, wurde sehr heftig und nicht immer mit fairen Mitteln geführt. Die Befragungsstatistiken wurden doch sehr unterschiedlich gedeutet. Langt der Elternwille für eine IGS oder auch für zwei, drei oder gar vier? Das Ergebnis, die erste neue IGS in Buchholz am Standort der Realschule I zu errichten, war als 1. Schritt sinnvoll. Skeptiker sahen, dass die 150 Schulplätze an der IGS nur schwerlich zu besetzten seien, Optimisten sahen, dass 300 Anmeldungen an der neuen Schulform kommen würden. Tatsächlich meldeten sich 414 Schüler für die 5. Klasse an. Es wurden also 150 zum Besuch der IGS in einem fairen und transparenten Losverfahren ausgelost und fast 270 Schüler erhielten einen ablehnenden Bescheid. Wir - der Kreistag - haben also durch unsere zögerliche Entscheidung zuerst einmal nur einen Standort für eine IGS zu realisieren, bei der Vielzahl der Schüler, die an diese Schulform besuchen wollten, Trauer, Frust und Tränen ausgelöst, weil sie nicht an die Schule dürfen, die für sie die richtige/gewünschte ist. Für mich folgt daraus ein nachdrücklicher Einsatz für die Errichtung von Gesamtschulen in Winsen, Jesteburg und der Elbmarsch. Die Schullandschaft im Landkreis wird sich durch diese anstehenden Entscheidungen verändern, das Schulangebot wird kreisweit vielfältiger, lokal aber durchaus auch eingeschränkt.
  • Das Projekt „Sanierung und Erweiterung des Reitsportzentrums Luhmühlen wird gemeinschaftlich getragen von den Landkreisen Lüneburg (1,5 Mio €), Harburg (1,5 Mio €) und dem Land Niedersachsen (8,0 Mio €). Vor dem Hintergrund einer prekären Finanzlage des Landkreises Harburg waren diverse Bedingungen gegeneinander abzuwägen: Arbeitsplätze (temporär bis zu 200), Infrastrukturprojekt, Tourismusförderung und Imagegewinn der Region einerseits und andererseits ggf. fehlende Investitionsmöglichkeiten für Schulen, Straßen, Bildung, kein öffentliches Interesse am Ausbau des Pferdesportstandortes und kontinuierlich anfallende Zuschüsse zum Reitsportzentrum. Entgegen meiner Bedenken hat die Fraktionsmehrheit nach intensiven Abwägungen die Investition mitgetragen.
  • Zur Gewährleistung einer dauerhaften Gesundheits-Grundversorgung durch die heute funktionierenden, auskömmlich arbeitenden Krankenhäuser des Landkreis wurde durch Erhöhung des Eigenkapital um 4,5 Mio Euro in Buchholz die Strahlentherapie nachdrücklich erweitert. Die Auswirkungen auf die gemeinsam geführten Häuser in Winsen und Buchholz waren abzuwägen, insbesondere im Hinblick auf deren kontinuierlich gesicherte Existenz, im Hinblick auf die Arbeitsplätze, als auch im Hinblick auf die angebotene medizinische Versorgung vor Ort. Die Wirtschaftlichkeit und damit die Existenz der beiden Krankenhäuser unter Kreisregie ist und bleibt sehr stark abhängig von der Berliner Gesundheitspolitik. Es sind derzeit keine Absichten spürbar, die Häuser zu privatisieren, was auch auf keinen Fall geschehen darf.
  • Es wurde ein mehrheitlicher zustimmender Beschluss zur Fusion der Sparkasse Harburg-Buxtehude und der Sparkasse Lüneburg gefasst. Abzuwägen galt es hier die Überschaubarkeit eines heute am Markt gut operierenden, gesunden Unternehmens gegen die Zukunftschancen einer größeren Sparkasse mit einem umfassenderen Portfolio an Leistungen und erweitertem Kundenpotential. Der Stadtrat in Lüneburg, der auch zustimmen musste, kam hier zu einem anderen Abwägungsergebnis.

Die Beispiele zeigen in meinen Augen, dass wir als ehrenamtlich tätige Bürger in unserem föderativen System diverse Dinge beeinflussen und aktiv gestalten, die unseren Lebensraum direkt betreffen und die nachhaltig wirken. Dabei ist nicht nur eine Portion gesunder, sozialer Menschenverstand nötig, den jeder hat, sondern um zu Mehrheiten zu kommen – in der Demokratie unumgänglich - muss Überzeugungsarbeit geleistet werden, möglichst mit Argumenten und nicht durch Beziehungen.

Wozu geht man nun in seiner Freizeit in Sitzungen? Ich denke der Hauptantrieb rührt daher, dass man irgendwann feststellen kann, an diesem erzielten Ergebnis habe ich mitgewirkt. Die Erfüllung einer gesellschaftlich anerkannten Aufgabe, gepaart mit einer kleinen Portion Eitelkeit und einer gewissen Selbstverwirklichung zum Wohle aller. Es macht Spaß zu gestalten – den Spaß können Sie auch haben! Bei Interesse an einer Mitwirkung auf Gemeinde – und/oder Landkreis-Ebene, wenden sie sich bitte an den Ortsvereinsvorsitzenden der Winsener SPD.

Dr. Dieter Bender