Liebe Genossin, Lieber Genosse,

mit diesem Mitgliederbrief möchten wir Dich über die Position der Winsener SPD zur Satzung für die Nutzung von Kindertagesstätten informieren.

Die Diskussion dazu hast Du bestimmt der örtlichen Presse entnommen. Bitte unterstütze uns deshalb in der öffentlichen Debatte, in dem Du mit Deiner Familie, Freunden und Nachbarn darüber redest.

Dieser Brief ist etwas länger geraten. Er soll aber zum einen dazu beitragen, dass wir als Ortsverein eine eindeutige Position in den kommenden Monaten einnehmen können. Zum anderen aber auch zum besseren Verständnis unseres Handelns beitragen. Nach der Ratssitzung am 26. September 2013 werden wir Dich zu einer Mitgliederversammlung einladen, um das weitere Vorgehen der Winsener SPD gemeinsam zu beraten.

Die nachfolgende Information / Positionierung haben wir in drei Themenfelder eingeteilt:

  1. Der Stufenplan unserer Partei zur Verbesserung der Kinderbetreuung in Deutschland.
  2. Die Ausgangssituation und die mit dem Ratsbeschluss geschaffenen Ergebnisse einer neuen Gebührensatzung für Winsener Kindertagesstätten.
  3. Unsere erste Einschätzung zur Rückmeldung der Kommunalaufsicht des Landkreises Harburg vom 28.08.2013. Der Bürgermeister hatte dort Beschwerde gegen die Satzung eingereicht, da sie nach seiner Auffassung nicht zulässig sei.

Zu 1: Der Stufenplan unserer Partei zur Verbesserung der Kinderbetreuung in Deutschland

Am Anfang soll die Position der SPD im Bundestagswahlkampf stehen, weil wir in Winsen nicht losgelöst, sondern im Kontext der SPD Ziele arbeiten.

Die Position der SPD: Eine SPD-geführte Bundesregierung schließt künftig zwischen Bund und Ländern einen Staatsvertrag ab, der die Finanzierung der Kinderbetreuung fair und transparent regelt. Damit stellen wir sicher, dass das Geld vor Ort in Kitas und Schulen auch wirklich ankommt.

Dabei wird in drei Stufen vorgegangen:

Stufe 1: Wir setzen den Ausbau fort.

Seit dem 01. August 2013 können alle Eltern per Rechtsanspruch einen Kitaplatz oder eine Tagesbetreuung für ihr Kind in Anspruch nehmen. Damit hat die SPD ein wichtiges Zwischenziel für Familien in Deutschland gegen massive konservative Widerstände durchgesetzt.

Wir werden auch in den nächsten Jahren zusätzliche Kita-Plätze schaffen, da die Nachfrage weiter steigen wird und insbesondere Ganztagsangebote benötigt werden (Kitas statt Betreuungsgeld – das bedeutet 200.000 neue Plätze).

Stufe 2: Wir werden die Qualität der Betreuung weiter erhöhen.

Wir wollen nicht nur mehr, wir wollen vor allem gute Betreuungsplätze für die individuelle Förderung von Kindern und für gute Arbeitsbedingungen von Erzieherinnen und Erziehern. Dazu werden wir verbindliche Standards für die Kinderbetreuung und -förderung etablieren und gleichzeitig dafür sorgen, dass diese auch entsprechend finanziert werden.

Stufe 3: Wir werden Deutschlands Kitas gebührenfrei machen.

Wir wollen eine gebührenfreie Bildung von Anfang an und damit alle Kinder gleiche und faire Startchancen bekommen. Gleichzeitig wollen wir Familien auch in der Mittelschicht entlasten, für die Kita-Gebühren häufig der höchste Kostenfaktor nach der Miete sind.

Anmerkung: Auf diesem Weg sind wir in Winsen konsequente erste Schritte gegangen – gemeinsam mit anderen Fraktionen im Winsener Stadtrat.

Zu 2: Die Ausgangssituation und die mit dem Ratsbeschluss geschaffenen Ergebnisse einer neuen Gebührensatzung für Winsener Kindertagesstätten.

Die Ausgangssituation:

• Seit 01.08.2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für alle Kinder in der entsprechenden Altersgruppe.
• Die Stadt Winsen hat als öffentlicher Träger keine eigenen Kitas. Eine konkrete Bedarfsplanung für die Stadt Winsen gibt es nicht oder ist uns nicht bekannt. Entsprechende Anträge der SPD-Fraktion im Stadtrat wurden in den vergangenen Jahren wiederholt abgelehnt.

• Im Haushalt der Stadt Winsen sind die Ausgaben für Kinderbetreuung mit jährlich ca. 7 Millionen Euro eine relevante Größe bei der Bewertung der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unserer Stadt – also hinsichtlich der Investitionsfähigkeit auch auf anderen Handlungsfeldern.

• Die vertragliche Zusammenarbeit der Stadt als öffentlicher Träger bezieht sich auf ein relativ breites Spektrum freier Träger (bspw. DRK, Kita-Nord, Kirchenkreis etc.) und ist sehr unterschiedlich, teilweise wohl historisch so gewachsen. So gibt es beispielsweise mit dem Kirchenkreis sogenannte Defizitverträge. Das bedeutet, dass die entstandenen Kosten für den Betrieb der Kita durch die Stadt ausgeglichen werden. Diese Verträge unterscheiden sich deutlich von neueren Verträgen mit anderen freien Trägern.

• Die Transparenz und Informationslage des Stadtrates zu diesen Verträgen und den einzelnen Geldflüssen ist auch für Mitglieder des Schul- und Kita-Ausschusses unzureichend. Es ist auch völlig unklar, ob sich daraus Wettbewerbsverzerrungen unter den freien Trägern ergeben.

• Die Prüfung der Einkommenssituation der Eltern und damit die Einstufung in die Gebührenstaffel obliegt zurzeit den freien Trägern. Es gibt derzeit deshalb weder ein einheitliches Vorgehen noch eine regelmäßige Prüfung, die gerechte und mögliche Einnahmen sicherstellt. Im städtischen Haushalt sind somit nicht alle Einnahmen durch Elternbeiträge aufgeführt!

• Es fehlt eine Anlaufstelle für Eltern, die berät, koordiniert aber auch letztlich strittige Vergabefälle entscheidet. Mit dem Familienbüro wurden dazu die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen. Der verbindliche Auftrag des Familienbüros und auch die Beschreibung der konkreten Handlungs- und Interventionsaufgaben fehlen allerdings bisher.

Das Ergebnis der neuen Satzung:

• Der Einstieg in die Gebührenfreiheit ist geschafft – die Winsener Kita-Satzung entlastet künftig die Eltern und die neu gestaltete Beitragstabelle schafft eine höhere Beitragsgerechtigkeit.

• Die Verteilung der Kindergartenplätze wird künftig über das Familienbüro der Stadt koordiniert. Dort wird letztlich auch in schwierigen Fällen die Entscheidung zur Vergabe entschieden.

• Die Träger der Winsener Kitas werden künftig vertraglich gleichbehandelt. Alte Verträge werden angepasst. So entsteht mehr Fairness im Wettbewerb der freien Träger.

• Die vertraglichen Voraussetzungen können also geschaffen werden, um die Betriebsmittel, zum Beispiel für eine dritte Personalstelle in Krippen, zu erhöhen. Für die Umsetzung in 2014 setzt sich die Winsener SPD in den nächsten Monaten ein.

• Die öffentlich-rechtliche Verantwortung der Stadt zur Sicherung der Versorgung mit Plätzen - auch ohne eigene Einrichtung als öffentlicher Träger - kann mit der Satzung und entsprechend neu gefassten Verträgen auch über freie Träger gewährleistet sein.

Zugespitzt: Die neue Kita-Satzung beendet den über Jahrzehnte gewachsenen Flickenteppich, den es übrigens auch im Wohnungsbau und in der Integrationspolitik gibt.

Zu 3: Unsere erste Einschätzung der Rückmeldung der Kommunalaufsicht des Kreises Harburg vom 28.08.2013 zum Bericht des Bürgermeisters vom 26.06.2013 und dessen Einschätzung, dass die Satzung nicht zulässig sei.

Der Umfang und die Genauigkeit der rechtlichen Bewertung im Schreiben der Kommunalaufsicht zur Kita-Satzung sind oberflächlich und enttäuschend! Auf konkrete Punkte der Satzung wird nicht eingegangen. Angeblich soll es aber aufgrund des Berichts des Bürgermeisters einen ersten Hinweis geben. Das ist zu wenig, um eine Rücknahme der Satzung zu fordern! Wir hätten erwartet, dass die Kommunalaufsicht die Satzung Punkt für Punkt hinterfragt und ihre Kritik fundiert und präzise äußert!

Was bisher in der Debatte und auch in der Stellungnahme der Kommunalaufsicht zu kurz kommt, ist die Eindeutigkeit, mit der im SGB VIII der Sicherstellungsauftrag zur Versorgung mit Kita-Plätzen sowie die Gesamtverantwortung (incl. Planungs-verantwortung) für den öffentlichen Träger gegenüber den freien Trägern geregelt ist. Hier liegt die Verantwortung beim Kreis und bei der Stadt – und bei niemand anderem.

In Winsen kommt dazu, dass die Stadt als öffentlicher Träger keine eigenen Kitas betreibt und das Risiko trägt, falls die Versorgung im Einzelfall (alle Eltern/Kinder haben einen Anspruch) durch die freien Träger nicht gewährleistet werden kann.

Inzwischen gibt es ein erstes Urteil gegen die Stadt Mainz, wonach diese jetzt Eltern die Kosten zu erstatten hat, die keinen Platz bekommen haben. Wir sind als Winsener SPD allen Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt verpflichtet. Deshalb plädieren wir für ein ruhiges und auf die Sache konzentriertes Vorgehen.

Abschließend: Zur Zusammenarbeit mit anderen Stadtratsfraktionen und Parteien in der Winsener Kommunalpolitik

Die Kita-Arbeitsgruppe der Fraktionen von SPD, Grüne/Linke, Freie Winsener, Winsener Liste, die die Satzung gemeinsam im Rat verabschiedet haben, hat über mehrere Monate sehr konstruktiv zusammengearbeitet. Dabei haben unsere Genossen Brigitte Netz und Sven Gehrdau einen maßgeblichen Anteil der inhaltlichen Arbeit geleistet.

Inzwischen hat die Winsener Liste erklärt, dass sie dem Antrag des Bürgermeisters zustimmt, die Satzung zurückzunehmen. Tobias Müller hat eh bereits in der geheimen Abstimmung in der Juni-Ratssitzung dagegen gestimmt. Anschließend hat er die Pressemitteilungen so mit uns abgestimmt als wäre nichts gewesen. Erfahren haben wir es vor ca. 10 Tagen über Dritte.

Nichtsdestotrotz werden wir zu diesem Thema weiterhin eng mit den Fraktionen Grüne/Linke und Freie Winsener zusammenarbeiten.

Herzliche Grüße

Norbert