Der Stadtrat befasste sich in seiner Sitzung am 19.12.2013 mit dem Haushalt für das Jahr 2014. Dazu im Folgenden die Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Benjamin Qualmann:

„Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, Herr Bürgermeister, Verehrte Ratskolleginnen und Kollegen, Liebe Bürgerinnen und Bürger,

wir beraten heute über einen Haushalt mit einem Volumen von ca. 44 Millionen Euro. Auch wenn der bisherige Entwurf nur gerade eben ausgeglichen ist, sind wir in einer Situation, die es in vielen Regionen Deutschlands so nicht mehr gibt. Wir können noch investieren – dafür sind im kommenden Jahr 16,5 Millionen Euro veranschlagt – und wir können aktiv die Zukunft der Stadt planen, steuern und gestalten.

Planung und Steuerung ist allerdings in Winsen so eine Sache. Sven Gehrdau sagte zum Haushalt 2013 an dieser Stelle dazu: „Statt Planung, Kontrolle und Steuerung in Winsen meint die Mehrheit des Rates, man muss nur fest genug dran glauben.“ An dieser Situation hat sich im vergangenen Jahr leider nicht viel geändert. Es wird weiterhin vor allem auf Sicht, also kurzfristig gehandelt. Mittel- und langfristige Planung mit Blick in die Zukunft wird immer betont, findet aber so gut wie nicht statt. Vor allem findet aber keine politische Debatte um Ziele und Prioritäten hier im Stadtrat statt. Zu häufig werden ausschließlich Vorlagen der Verwaltung bewertet und die Anträge der anderen schlecht geredet.

Als Beispiel braucht man sich nur die Entwicklung im Bereich Kinderbetreuung anschauen. Ein Kindergartenbedarfsplan, der in anderen Kommunen eine Selbstverständlichkeit ist, wurde im vergangenen Jahr als Quatsch dargestellt. Man könne den Bedarf nicht absehen. Deshalb wird weiter auf Zuruf reagiert statt selbst als Stadtrat vorausschauend zu agieren. Vor allem die CDU geht aus unserer Sicht äußerst beliebig vor.

So wurde im Ausschuss für Schulen und Kindertagesstätten für eine neue Ganztagsgruppe in der Kita Luhdorf gestimmt. Der gleiche Antrag der Kita Rote-Kreuz-Straße wurde abgelehnt. Im Anschluss hat man sich aber besonnen, und beiden Einrichtungen zugestimmt. Man konnte allerdings weder die eine, noch die andere Entscheidung begründen. Das ist für mich eindeutig beliebiges Handeln.

Wenn der gesamte Rat gemeinsam aktiv Prioritäten setzen würde, dabei auch langfristige Investitionen plant und im Verlauf eines Jahres über Fortschritte und Finanzdaten transparent informiert wird, dann kann und wird es richtig Spaß machen und unsere Stadt wird sich weiterhin gesund entwickeln.

Dazu ist es wichtig, dass wir neben dem alljährlichen „Geschäft“ unsere Schwerpunktthemen hier im Rat bestimmen, Aufträge an die Verwaltung erteilen und Ergebnisse abfordern. Vor allem aber ist es unsere Aufgabe, frühzeitig und aktiv die Bürgerinnen und Bürger zu informieren und zu beteiligen. Grundsätzlich wäre es auch ratsam, die künftige Entwicklung der Stadt weniger den Technokraten überlassen.

Dafür brauchen wir jedoch die politische Debatte hier im Stadtrat und natürlich auch in den Fachausschüssen. Zulange wedelt hier schon der Schwanz mit dem Hund. Solange die CDU-Mehrheit dieses Rates nur Vorlagen der Verwaltung abnickt, fehlt hier jede inhaltliche Diskussion und demokratische Meinungsbildung. Mich wundert es nicht, dass so viele und vor allem junge Stadtratsmitglieder schon wieder gegangen sind.

Denn eine Stadt kann nur mit Strategie und politischem Weitblick sicher in die Zukunft geführt werden. Und wichtige Themen gibt es genug.

Zum Haushalt 2014 haben wir zwei davon in den Fokus gestellt: 1. Wie soll der Wohnungsbau in Winsen zukünftig gestaltet werden und 2. wie fördern und formen wir eine Stadtgesellschaft, die mit ihren sozialen und kulturellen Themen bewusst und gezielt umgeht.

Zum kommunalen Wohnungsbau brauchen wir für die Stadt ein kreatives und innovatives Zukunftskonzept als wichtigsten Bestandteil der Stadtentwicklung. Die Verwaltung soll die Bedarfe nach Wohnraum zusammentragen und in einem Konzept die Umsetzung darstellen. Wir wollen wissen, ob wir tatsächlich den Bedarf decken oder daran vorbei planen. Derzeit wissen wir nämlich nicht, ob es in Winsen genügend Wohnraum für junge Menschen gibt, die von zuhause ausziehen wollen, für Singles, Studenten, große Familien oder Ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Alles läuft immer auf das klassische Einfamilienhaus hinaus. Dazu muss auch die Frage geklärt werden, ob es neben dem Angebot auch ausreichend bezahlbaren Wohnraum gibt. Denn auch daran muss sich eine Stadt messen lassen. Ist das nicht der Fall muss eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft ein Thema sein. Durch Kooperationen mit anderen Städten und Gemeinden, auch über den Landkreis Harburg hinaus. Diese Idee ist keinesfalls so abwegig, wie die Vertreter der traditionellen Vorgehensweise, nämlich ausschließlich über private Investoren zu vermerkten, das gleich in den Beratungen sagen werden und immer wieder hervorheben. Eine Wohnungsbaugesellschaft ist stattdessen aus unserer Sicht nicht nur sinnvoll sondern zwingend geboten. Es gilt jetzt, die Versäumnisse der Vergangenheit zu erkennen und auszugleichen.

Unser zweiter Schwerpunkt ist das Thema Inklusion. Also die Frage, wie organisieren und gestalten wir über Jugend- und Seniorenarbeit, Schulen und Vereine ein Miteinander in der Stadt, dass die Vielfalt und auch die besonderen sozialen Herausforderungen aufnimmt. Dazu gibt es ganz konkrete Aufgaben zum Beispiel in den Winsener Grundschulen, die gerade ihre ersten Erfahrungen mit dem Einsatz von Schulsozialpädagogen unter dem Stichwort Inklusion als verbindliche Aufgabe sammeln.

Wenn wir diese Aufgabe nicht nur in den Schulen, sondern in der ganzen Stadt ernst nehmen, so bedeutet es, dass wir an Rahmenbedingungen arbeiten, die es jedem Menschen ermöglichen, sich vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen – und zwar von Anfang an und unabhängig von individuellen Fähigkeiten, ethnischer wie sozialer Herkunft, Geschlecht oder Alter.

Im Fachausschuss für Schulen und Kindertagesstätten wurde von den Schulleiterinnen und Schulleitern die Notwendigkeit an uns heran getragen, ein entsprechendes Denken über eine stadtweite Vernetzung ernst zu nehmen. Für eine wachsende Stadt wie wir es sind, müsste das eine Selbstverständlichkeit sein, zumal über einzelne Stellen und Projekte auch schon vieles vorhanden ist, das besser verzahnt viel mehr Kraft und Wirkung entfalten könnte. Damit sollten wir in 2014 endlich beginnen. Orientierung dazu ist bei einer gemeinsamen Organisation von Kommunen und Wohlfahrtsverbänden zu finden. Der Eckpunktekatalog des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge enthält alle Aspekte, die in ein Konzept für eine inklusive Stadtgesellschaft einfließen sollten.

Um für beide Aufgaben eine Standort- und Zielbestimmung sowie Vorschläge für eine konzeptionelle Umsetzung auf den Weg zu bringen, haben wir beantragt, jeweils 10.000 Euro in den Haushalt einzustellen. Wir wollen verhindern, dass notwendige Entwicklungen der Stadt verschlafen werden, weil wichtige Bedarfe nicht erkannt und nur "auf Sicht" gehandelt wird. Aber wieder einmal mussten wir erleben, dass der Bürgermeister und die CDU sich mit ihrer Mehrheit gegen konzeptionelles Vorgehen stemmen. Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Solange das so bleibt, werden wir uns an einem "weiter so" nicht mehr beteiligen.

Zu einer zukunftsfähigen Stadt gehören für uns auch funktionierende Stadtwerke, die bspw. die Energiewende hier vor Ort mitgestalten. Allerdings ist auch in diesem Haushalt wieder eine Gewinnabführung von 750.000 Euro enthalten. Es spricht nichts dagegen, wenn wir als Stadt für unsere Kapitaleinlage eine dem Zinsniveau angemessene Verzinsung erhalten. 15% erscheinen uns aber sehr hochgegriffen. Wir dürfen die Stadtwerke nicht unnötig schwächen, sondern müssen sie stärken.

Eine zukunftsfähige Stadt bedeutet für uns auch, dass in wohnortsnähe Arbeitsplätze entstehen. Mit der Erweiterung des Gewerbegebietes Luhdorf haben wir im Rat dafür die Weichen gestellt. Allerdings werden wir bei den Ansiedlungen genau hinschauen. Wenn wir Flächen durch Gewerbeansiedlung versiegeln muss auch etwas Positives entstehen. Logistiker, die nur 450 Euro Kräfte beschäftigen oder Unternehmen, die bspw. über Leiharbeit Stundenlöhne von unter 8,50 Euro zahlen, bekommen von uns keine Zustimmung! Winsen braucht Arbeitsplätze, die vor allem auch für jüngere Menschen attraktiv sind, damit sie in Winsen wohnen bleiben. So schließt sich der Kreislauf zu unserem Schwerpunktthema Wohnungsbau.

Am Ende möchte ich unsere Position erneut zugespitzt auf den Punkt bringen. Wir müssen und wollen in guten Jahren Wege beschreiten, um die Zukunft zu gestalten. Es ist aufgrund der Beschlüsse im Verwaltungsausschuss aber nicht abzusehen, dass diese Grundüberzeugung sich in der folgenden Beratung und den anstehenden Beschlüssen widerspiegeln wird. Der Vertrauensvorschuss, den wir im vergangenen Jahr mit unserer Zustimmung zum Haushalt 2013 gegeben haben, wurde nicht belohnt.

Die notwendige Neuausrichtung der Haushaltsplanung 2014 und die Bereitschaft aller Fraktionen und der Verwaltung eine zukunftsorientierte Debatte zur Gestaltung der Stadt im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Winsen zu führen, ist immer noch nicht so, wie es sein müsste. Da wir nicht weiter auf Sicht durch den Nebel fahren wollen, werden wir den Haushalt ablehnen.