Auf Einladung der SPD-Bundestagsabgeordneten Monika Griefahn und Caren Marks, stellvertretende Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (siehe Foto) diskutierten 80 Gäste in Winsen (Luhe) über Kinder und Gesellschaft.

Es war eine emotionsgeladene, teils hitzige Debatte, und das war kein Wunder. Das Thema Mehr Kinder. Bessere Bildung. Starke Familien., zu der die beiden eingeladen hatten, betrifft schließlich große Teile der Bevölkerung.

So befanden sich unter den rund 80 Gästen im Winsener Marstall-Café am vergangenen Donnerstag denn auch etliche Mütter, Kommunalpolitiker, Erzieher und Vertreter privater Elterninitiativen.

Durch die zeitliche Nähe zum Kabinettsbeschluss nahm das Thema Elterngeld, das zum Jahr 2007 das bestehende Erziehungsgeld ablösen soll, breiten Raum ein. Auf dem Podium diskutierten auch die Kreisvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Angelika Tumuschat-Bruhn (links), und die Kreiselternratsvorsitzende der Kindertagesstätten Uta Weiß (rechts).Caren Marks konnte als stellvertretende Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Familienthemen selbst Detailfragen beantworten. Die Fachpolitikerin wies darauf hin, dass sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen fundamental geändert hätten und damit neue Lösungen in der Familienpolitik gefunden werden müssten. Für sie seien drei Dinge auf dem Weg zum Familienland wichtig:

Eine familienfreundliche Infrastruktur, eine familienfreundliche Arbeitswelt und die finanziellen Rahmenbedingungen.

Der Kinderwunsch sei bei den meisten jungen Menschen vorhanden, umgesetzt werde er längst nicht immer. Marks warb für das Elterngeld als modern und sozial gerecht. Es sei eine Lohnersatzleistung, Kindererziehung damit erstmals dem Arbeitsstatus gleichgestellt. Das bedeute auch, dass es keine Sozialleistung darstelle. Entsprechend sei es ein Entgegenkommen an nicht Erwerbstätige, dass deren Arbeitslosenunterstützung nicht auf das Elterngeld angerechnet werde.

Elterngeld beträgt grundsätzlich 67 Prozent des Nettogehaltes des Partners, der aus dem Beruf ausscheidet, und ist auf maximal 1800 Euro im Monat begrenzt. Es wird zwölf Monate gezahlt und kann um zwei Monate verlängert werden, wenn auch der andere Partner seine Erziehungsaufgabe wahrnimmt. Für jene, die Arbeitslosengeld II bekommen, gibt es einen Sockelbetrag von 300 Euro. Anliegen des Elterngeld ist es, gerade Frauen gezielt aus der Endlosschleife des Zu-Hause-Bleibens herauszuholen und sie zu animieren, nach maximal einem Jahr wieder in den Beruf zurückzukehren. Davon abgesehen soll das in der Elternzeit wegfallende Einkommen anteilmäßig ersetzt werden, um Familienarmut zu vermeiden.

Im Publikum fand das Elterngeld überwiegend Zustimmung. Klar war aber auch, dass damit beileibe nicht alle Probleme gelöst seien.

Was kommt nach dem Jahr? war von Müttern und Erzieherinnen zu hören. Nur für gut drei Prozent der Kinder stünden in Niedersachsen überhaupt Krippenplätze bereit. Bürokratische Hürden machten privaten Elterninitiativen das Leben schwer. Eine kinderfreundliche Arbeitswelt sei trotz Umdenken noch lange keine Realität. Angelika Tumuschat-Bruhn beispielsweise erklärte: Ich habe mich seinerzeit gegen Kinder und für das Berufsleben entschieden. Und hier im Landkreis Harburg würde ich wahrscheinlich heute immer noch zu dem gleichen Ergebnis kommen, kritisierte sie. Sie forderte längere Kita-Öffnungszeiten, mehr Krippenplätze und flexiblere Betreuung. Es sei nicht nur finanzielle Notwendigkeit, sondern auch Wunsch vieler junger Frauen, heute erwerbstätig zu sein, ergänzte Caren Marks. Das Wissen der gut ausgebildeten Frauen brach liegen zu lassen, bremse das Wirtschaftswachstum, meinte sie, und lobte Firmen, die das erkannt haben.

Uta Weiß pries in ihrem engagierten Plädoyer für mehr Familienfreundlichkeit das Tostedter Familienbündnis, das mit Hilfe der Gleichstellungsbeauftragten eine flexible, funktionierende Kinderbetreuung auf die Beine gestellt hatte. Seit es dort jedoch nach Relativierung der Verpflichtung, Gleichstellungsbeauftragte hauptamtlich zu beschäftigen, keine mehr gebe, sei das Projekt im Prinzip tot, mahnte sie. Und kritisierte gleichzeitig das Phlegma der Elternschaft. Ich vermisse, dass Eltern aufstehen und etwas fordern.

Problematisch scheint es mit der gesellschaftlichen Anerkennung zu sein und zwar so oder so. Monika Griefahn berichtete, wie sie am eigenen Leib die Rabenmutterdebatte erfahren hat. Insbesondere als sie im Amt der Umweltministerin in Niedersachsen Nachwuchs bekam, sei ihr immer wieder nahe gelegt worden, doch lieber das Essen für ihre Kinder zu kochen. Ich habe eine Menge böser Briefe erhalten, sagte sie. Anders die Elternratsvorsitzende, die sich auf die Erziehung ihrer drei Kinder konzentriert und eine Anerkennung dieser Arbeit vermisst. Auf ihrer Visitenkarte stehe deswegen auch nicht Mutter, sondern Human Catering Manager. Ein rappelvolles Winsener Marstall-Café: Mit der Veranstaltung Mehr Kinder. Bessere Bildung. Starke Familien. hatten die SPD-Bundestagsabgeordneten Monika Griefahn und Caren Marks den Nerv der Menschen getroffen.