Mit der seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 bestehenden latenten Unsicherheit in der Bevölkerung wird derzeit eine Menge an Kontroll- und Überwachungstechnologien praktisch ohne Widerstand mit den dazugehörigen Einschränkungen von Bürgerrechten, Privatsphäre und Datenschutz durchgesetzt. Dieses zeigt sich nicht nur durch die immer wieder "verbesserten" Sicherheitsgesetze des Bundes sondern auch auf kommunaler Ebene, beispielsweise durch die Videoüberwachung, wie sie jetzt von der CDU Stadtratsfraktion für die Winsener Innenstadt gefordert wird.

"Videoüberwachung im öffentlichen Raum betrifft nahezu nur unverdächtige Normalbürger. Es gibt keinen Verdacht gegen eine konkrete Person, sondern alle Personen unterstehen einem präventiven Generalverdacht. Das widerspricht der Unschuldsvermutung, einem der wichtigsten Güter unseres Rechtssystems", so Dirk Oertzen, Fraktionsvorsitzender.

"Die Frage sei erlaubt, ob es so massive Vorfälle in Winsen (Luhe) gegeben hat, die dieses rechtfertigen würden", so Oertzen weiter.

Technische Mittel wie Überwachungskameras gelten seit kurzem als gute Möglichkeit, Straftaten zu verhindern. Daher greifen vielerorts Politiker auch gerne darauf zurück, um Handlungsentschlossenheit zu demonstrieren. Überwachungskameras haben den Vorteil, den Raum permanent zu beobachten und Bilder speichern zu können, um Täter zu identifizieren. Sie sind billiger als die Präsenz von Polizisten, vor allem aber muss mit dem technischen Heilmittel nichts verändert werden, um einen Ort sicherer zu machen.

Dass diese Annahme, mit der Überwachungskameras überall angebracht werden, allerdings weitgehend eine Illusion ist, ist schon seit Jahren bekannt und wurde auch von aktuellen Studien bestätigt.

Jede dieser Techniken führt zwangsläufig zu Veränderungen, zumindest zu Veränderungen des Verhaltens, keineswegs jedoch unbedingt zu höherer Sicherheit.

"Straftaten werden nicht effektiv verhindert, es findet maximal eine Verlagerung entsprechender Taten statt. Videoüberwachung ist eher ein Instrument der Täterermittlung, keinesfalls eines der Gewalt- oder Verbrechensprävention.", so auch Benjamin Qualmann, stellv. Fraktionsvorsitzender im Stadtrat.

Aber auch wenn bestätigt wurde, dass Sicherheitstechniken kaum eine Wirkung zeigen, werden sie weiterhin angepriesen und eingeführt, um überhaupt ein Handeln zu zeigen.

Wir geben zu bedenken: Großbritannien ist bekanntlich das Pionierland der Videoüberwachung. Hier findet sich die größte Dichte von Überwachungskameras. Die Folge müsste eigentlich sein, dass die Kriminalität vornehmlich in den Städten, in denen sich die meisten Kameras befinden, drastisch zurückgegangen ist. Das aber ist nicht der Fall.

Nach einer Studie führt Videoüberwachung weder zu einem Rückgang der Kriminalität, noch schafft sie bei den Menschen ein höheres Gefühl der Sicherheit. Nach Anbringung der Überwachungskameras nimmt deren Befürwortung bei den Menschen sogar eher ab, weil sie merken, dass diese keine spürbaren Folgen haben.

Für die Studie wurden 14 unterschiedliche Systeme in Stadtzentren, Wohngegenden, Parkhäusern und Krankenhäusern untersucht. Nur bei einem hat sich ein leichter Rückgang der Kriminalität feststellen lassen, für den die Einführung der Überwachungskameras verantwortlich war. Das betraf die Fälle von Autodiebstahl auf überwachten Parkplätzen, also von vorsätzlichen Straftaten.

Vor allem aber bei impulsiven Handlungen, beispielsweise Gewalt gegenüber anderen Menschen, ließ sich keine Veränderung feststellen. Allerdings zeigte sich, dass die Kriminalität sich manchmal verschoben hat und dann häufiger an nicht überwachten Orten oder an den Bereichen stattfand, den die Kameras nicht erfassen. Die Dichte der angebrachten Kameras scheint demnach keinen Einfluss auf die Zahl der Straftaten zu haben. Insgesamt heißt es ernüchternd, dass man sich von Videoüberwachung nicht viel erwarten dürfe.

Direkte Beobachtung findet kaum statt, meist werden die Kameras nur kontrolliert, wenn bereits Kenntnis über einen Vorfall besteht. Daher ist nicht einmal ein vorbeugender präventiver Nutzen erkennbar. Zudem, so kritisieren die Wissenschaftler, gelten sie einfach unkritisch als "etwas Gutes", was dazu führt, dass sie ohne jeden Plan angeschafft und eingesetzt werden. Zur Verbreitung sorgt zudem, dass die Kommunen leicht Gelder für Überwachungssysteme erhalten. So werden sie sicherheitshalber installiert, auch wenn der Zweck schleierhaft ist.

Was kann getan werden um real die Sicherheit zu erhöhen? Sicherheitsüberwachung bestärkt die Menschen lediglich in ihrem Unsicherheitsgefühl, es wird also genau das Gegenteil von dem bewirkt, was es eigentlich sollte.

Heribert Prantl sagt dazu: "Stark ist nicht der Staat, der seinen Bürgern mit einem Generalverdacht entgegentritt und der jedem grundsätzlich misstraut. Stark ist ein Staat, der Vertrauen schafft."

Ein erster Schritt dahin kann sein, dass Etat und Personalanzahl der Polizei entsprechende Rechtstaatliche Präventiv-Maßnahmen ermöglichen. Leider belegen die aktuellen Zahlen, dass die CDU / FDP Landesregierung hier jedoch ihr Wahlversprechen gebrochen hat. Außerdem werden die bestehenden Gesetze seitens Justiz oft nicht konsequent genug umgesetzt, gerade im Falle jugendlicher Ersttäter, die meist unbestraft davon kommen.

In beiden gezeigten Fällen ist eine Änderung der bisherigen Situation herbeizufühern, um ein mehr an Sicherheit zu gewährleisten. Eine Videoüberwachung leistet dabei jedoch keinen Beitrag.