Der Stadtrat befasste sich jüngst mit dem Haushalt 2013. Dazu im Folgenden die Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Sven Gehrdau:

„Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, Herr Bürgermeister, Ratskolleginnen und Kollegen, Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Wir beschließen heute über den Haushalt der Stadt Winsen. Über einen Haushalt mit einem Volumen von rund 42 Millionen Euro.

Wir haben zu den Beratungen eine Pressemitteilung veröffentlicht mit der Überschrift „Haushaltspolitik vom Kopf auf die Füße stellen – ein gutes Haushaltssystem fordert verbesserte Planung und Kontrolle“. Aus meiner Sicht haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf wirkungsvolle Planung und Kontrolle, wenn sie uns 42 Millionen Euro anvertrauen. Und nichts anderes ist dieser Haushalt, Geld der Bürgerinnen und Bürger. Jenseits dieses gefühlten Anspruches gilt für uns die „Gemeindehaushalts- und –kassenverordnung“ vom 22. Dezember 2005. Die sieht in § 21 „Steuerung“ eine entsprechende Planung und Kontrolle vor.

In Absatz (1) ist festgelegt, dass „… Zur Unterstützung der Verwaltungssteuerung und für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit bei der Aufgabenerfüllung (…) die Gemeinde nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und nach den örtlichen Bedürfnissen insbesondere die Kosten- und Leistungsrechnung und das Controlling mit einem unterjährigen Berichtswesen ein(setzt). Und in Absatz (2) wird konkretisiert, dass „…Ziele und Kennzahlen (…) zur Grundlage von Planung, Steuerung und Erfolgskontrolle des jährlichen Haushalts gemacht werden (sollen).

Ziele und Kennzahlen zur Planung und unterjähriges Berichtswesen zur Steuerung und Erfolgskontrolle. Auf diese Kontrolle und Steuerung verzichtet dieser Rat seit 2005.

Übrigens: Bezeichnend finde ich in dem Zusammenhang, dass ich während der Vorbereitung dieser Ratssitzung bei Google unter dem Stichwort „Winsen luhe Gemeindehaushalts- und –kassenverordnung“ auf den ersten 5 Seiten, weiter habe ich nicht geguckt, keinen Eintrag der Stadt Winsen gefunden habe. Stattdessen war der erste Eintrag von der „Freien Christengemeinde Winsen/Luhe“. Das spiegelt meinen Eindruck letztlich gut wieder, statt Planung, Kontrolle und Steuerung in Winsen meint die Mehrheit des Rates man muss nur fest genug dran glauben.

Aber was ist mit Blick nach vorne jetzt zu tun? Die Stadt Winsen hat ihre Haushaltsführung erfolgreich auf die Doppik umgestellt. Also der kommunale Haushalt der Stadt Winsen wird nach den kaufmännischen Grundsätzen eines Unternehmens in der Privatwirtschaft geführt. Jetzt brauchen wir ergänzend Prioritäten, vereinbarte Ziele und Maßnahmen auf der Basis von möglichst vollständigen Informationen für die Verwendung des Haushalts zumindest bei den wichtigen Projekten.

Zu den Haushaltsberatungen für das Jahr 2013 haben wir daher Anträge eingebracht, die darauf abzielen, als erstes den Erfolg vergangener Maßnahmen und den damit verbundenen Einsatz der Steuermittel zu prüfen.

Das gilt beispielsweise für den Bereich Jugendarbeit. Leider wurde der Antrag auf ausführliche Berichterstattung gerade mehrheitlich abgelehnt. Dieser Stadtrat verzichtet weiterhin darauf vergangene Maßnahmen kritisch zu betrachten und zu fragen, ob geplante Ziele erreicht wurden. Ich möchte betonen, dass ich „kritisch“ im neutralen Wortsinn meine. Es ist unsere Verantwortung mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger sorgsam umzugehen. Eine Liste mit Überschriften als Jahresbericht der Stadtjugendpflege und ein „weiter so“ des Stadtrates reicht dafür nicht aus. Wir brauchen in regelmäßigen Abständen ausführliche Informationen. Auf der Basis können wir entscheiden, welche Ziele erreicht wurden und wo wir umsteuern müssen. Diese Chance haben sie heute erneut vertan. Die Jugend ist unsere Zukunft. Das ist nicht einfach nur eine Plattitüde. Wir wollen nicht weniger Geld in die Hand nehmen, sondern das Geld, das wir investieren so gut und sinnvoll wie möglich einsetzen.

Für den Bereich der Kinderbetreuung sind wir einen Schritt weiter. Wir haben zumindest quantitative Ziele. Wir wissen wie viele Krippen-, Kindergarten- und Hortplätze wir schaffen wollen. Leider können wir aber die Frage, ob wir zukünftigen strukturellen Bedarfen gerecht werden, nicht beantworten. Es werden immer da Plätze geschaffen, wo am lautesten geschrien wird. Und dann loben sich Teile dieses Rates noch für diese Flexibilität. Wir machen aber Politik für alle Familien. Nicht nur für die, die sich öffentlich äußern. Deshalb fordern wir erneut einen Bedarfsplan für die Kinderbetreuung, der einen systematischen Ausbau ermöglicht. Eine Bedarfsermittlung kostet nach unserer Schätzung 10.000 Euro. Dafür entwickeln wir einen Plan für die sinnvolle Verwendung von 500.000,- Euro, die allein für 2013 ohne konkreten Verwendungszweck in den Haushalt eingestellt sind. Eine halbe Million Euro Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger. Flexibilität ist an dieser Stelle die Verweigerung der Verantwortung gegenüber den Familien in Winsen. Wir dürfen nicht ständig nur reagieren. Wir müssen das Heft des Handelns vorher in die Hand nehmen und ausreichend Kinderbetreuungsangebote schaffen. Dafür haben uns Menschen in Winsen gewählt.

Weiterhin haben wir für das neue Familienbüro gefordert, die erforderlichen finanziellen Mittel nicht nur zu planen, sondern auch zusätzlich die Ziele und Aktivitäten im Jahr 2013 zwischen Stadtrat und Verwaltung zu vereinbaren. Ich möchte hier noch einmal ausdrücklich betonen, dass die SPD nicht das Familienbüro kritisiert. Wir wünschen Frau Möller oder Frau Lause viel Erfolg bei der Arbeit für die Familien, die Senioren und für die ehrenamtlich tätigen Menschen in Winsen. Das ist ein weites Feld, aber wir haben den Eindruck, es ist in guten Händen. Wir haben kritisiert, dass der Stadtrat nach unserer Auffassung bei der Entstehung und Ausgestaltung nicht ausreichend beteiligt wurde. Über die fehlende Bürgerbeteiligung will ich an dieser Stelle gar nicht reden. Aber auch das sollte dieser Antrag nicht korrigieren. Ziel des Antrags ist es am Beispiel Familienbüro zu einer systematischen Umsetzung der Gemeindehaushalts- und –kassenverordnung zu kommen, wie ich es zu Beginn geschildert habe.

Deswegen freuen wir uns, dass die Verwaltung unseren Antrag zum Anlass genommen hat eine entsprechende Verfahrensweise für alle wesentlichen Produkte des Haushaltes 2014 zu planen und ein unterjähriges Berichtswesen einzuführen. Das ist dringend nötig. Wir brauchen eine vorab festgelegte Strategie der Bedarfsdeckung und ein Bündel von Zielzahlen, die den Erfolg oder bestehende Lücken von Maßnahmen deutlich machen. Die Bürgerinnen und Bürger in Winsen haben uns nicht gewählt, damit wir im Nebel auf Sicht fahren, sondern weil sie erwarten – und auch erwarten können – dass wir ein konkretes Ziel ansteuern und einen Kompass haben, der uns da auch bei schlechter Sicht hin bringt.

Und schließlich, last but not least, haben wir die Umwandlung der Stelle „ehrenamtliche“ Gleichstellungsbeauftragte in eine hauptamtliche Teilzeitstelle gefordert. Die Vielzahl der Aufgaben kann ehrenamtlich nicht bewältigt werden. Die Gleichstellungsbeauftragte soll Anlauf- und Beratungsstelle für Fragen zur Gleichberechtigung und zur Frauenförderung sein. Das beinhaltet verschiedene Lebenssituationen von Frauen aufgrund des Alters, der Familienstruktur und des Gesundheitszustandes. Die Gleichstellungsbeauftragte soll die Interessen und Sichtweisen von Frauen und Familien mit Kindern in die Kommunalpolitik tragen. Und sie soll, wo nötig, die Gewalt gegen Frauen und Kinder aus der Tabuzone holen und helfen Netzwerke und Hilfesysteme aufzubauen. Wenn die jetzige ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte, Frau Hellendorn, nicht so viele zusätzliche private Stunden geopfert hätte, wäre die Stelle in der jetzigen Ausgestaltung völlig sinnlos. Wir dürfen unsere Verantwortung nicht länger auf fremde Schultern abladen. Es wird Zeit, dass wir hier endlich vernünftige Strukturen schaffen.

Am Ende möchte ich unsere Position zugespitzt auf den Punkt bringen. Wir müssen und wollen in guten Jahren in die Zukunft investieren, aber mit Augenmaß und Weitblick. Davon machen wir unser Abstimmungsverhalten zum Haushalt abhängig. Wenn diese Grundüberzeugung sich in der folgenden Beratung und den anstehenden Beschlüssen widerspiegelt, dann können wir dem Haushalt zustimmen. Das ist auch ein Vertrauensvorschuss auf die notwendige Neuausrichtung der Haushaltsplanung 2014 und die Bereitschaft aller Fraktionen und der Verwaltung eine zukunftsorientierte Debatte zur inhaltlichen Gestaltung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Winsen zu führen. Wenn die Mehrheit aber weiter auf Sicht durch den Nebel fahren will, werden wir den Haushalt ablehnen."

Der Haushalt der Stadt Winsen wurde mit nur einer Gegenstimme (FDP) beschlossen.