Winsener SPD lehnt FOSD-Pläne von CDU und Freien Winsenern ab
„Braucht Winsen eine Bürgerwehr?“, so lautete das Thema einer Diskussionsveranstaltung des SPD-Ortsvereins Winsen im Wirtshaus im Marstall. Hintergrund sind die Pläne der Winsener CDU und den Freien Winsenern, einen „Freiwilligen Ordnungs- und Streifendienst“ (FOSD) in Winsen einzuführen.
Benjamin Qualmann, stellvertretender SPD-Ortsvereinsvorsitzender, begrüßte zunächst die Referenten und Gäste. Er bedauerte,
dass sich die Winsener CDU einer inhaltlichen Diskussion über den FOSD verweigere. „Scheinbar hat die CDU keine richtigen Argumente, die den FOSD wirklich rechtfertigen, denn mit einem polemischen Ablenkungsmanöver versucht der CDU-Fraktionsvorsitzende André Bock sich vor einer sachlichen und inhaltlichen Diskussion um die Verwendung von Steuergeldern zu drücken“ so Qualmann. Zwar sei im Winsener Stadtrat im Juni 2009 eine allgemeine Grundsatzentscheidung für einen FOSD in Winsen getroffen worden, dieser Beschluss könne jedoch jederzeit wieder aufgehoben werden. Zudem müssten für eine praktische Umsetzung erst noch die nötigen Haushaltsmittel beschlossen werden.
Aktuell stehen die Beratungen zum Haushalt 2010 der Stadt Winsen an, in den fast 40.000 Euro für den FOSD eingestellt werden sollen. Dies lehnt die Winsener SPD ab. Die Diskussion um einen FOSD in Winsen sei noch lange nicht beendet, und die SPD Winsen hatte deshalb mehrere kompetente Referenten eingeladen.
Das Eingangsreferat hielt Johanne Modder, Stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin für Innenpolitik der SPD-Landtagsfraktion. Sie berichtete, dass der Nds. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) mit wenig Erfolg seit 2005 versuche, sogenannte „Freiwillige Ordnungs- und Streifendienste“ (FOSD) in ganz Niedersachsen zu etablieren. Ursprünglich wollte Schünemann eine „Hilfspolizei“ mit polizeilichen Befugnissen haben, musste von dieser Idee jedoch Abstand nehmen, weil Fachleute davor warnten und nicht nur die Opposition, sondern auch die FDP das Vorhaben ablehnten. Der FOSD habe somit keinerlei polizeilichen Befugnisse, sondern dürfe nur das, was jede Bürgerin und jeder Bürger an sog. „Jedermann-Rechten“ habe.
Rund 50 Gemeinden hätten 2005 an einer FOSD-Informationsveranstaltung des Innenministeriums teilgenommen, aber nur acht Gemeinden mit insgesamt 45 Freiwilligen in ganz Niedersachsen hätten an der Pilotphase 2007 / 08 teilgenommen. In zwei Gemeinden sei der FOSD mittlerweile wieder eingestellt worden. Die Bewertung der Pilotphase durch das Innenministerium selbst habe maßgeblich darauf abgestellt, dass das subjektive Sicherheitsgefühl gesteigert worden sei. Dass die objektive Sicherheitslage verbessert worden sei, konnte hingegen nicht belegt werden.
Eine bislang noch nicht belegte, aber naheliegende Befürchtung ist, dass die Einrichtung eines FOSD Wegbereiter für weiteren Personalabbau bei der Polizei sein könnte. Jedenfalls habe sich die Präsenz der Polizei in der Fläche in den Abendstunden und am Wochenende in Niedersachsen nicht merklich verbessert, zum Teil sogar verschlechtert.
Ursprünglich sei für die FOSD-Streifen eine Ausbildung von 30 bis 40 Stunden an der Polizeiakademie angedacht gewesen, realisiert wurden jedoch nur 12 Stunden Ausbildung, was viel zu wenig sei. Problematisch sei, dass FOSD-Streifen für Ihren Dienst eine Aufwandsentschädigung erhalten, während andere Ehrenamtliche z.B. bei der Freiwilligen Feuerwehr keine Entschädigung erhielten. Dies schaffe die Gefahr eines „2-Klassen-Ehrenamts“.
„In welcher Gesellschaft wollen wir eigentlich leben?“ – Diese Frage stellte Johanne Modder, MdL in den Raum. Die SPD vertraue auf mehr Prävention. Man solle lieber auf mehr Eigenverantwortung und Zivilcourage der Bürgerinnen und Bürger setzen, als einen FOSD loszuschicken. Die öffentliche Sicherheit sei dagegen Sache des Staates und der Polizei, die gut ausgebildet und bezahlt werden müsse. Eine Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lehnte sie ab.
Polizeirat Frank Freienberg, Leiter des Polizeikommissariats Winsen, stellte zunächst dar, das es eine Entscheidung des Rates einer Kommune, nicht aber der Polizei sei, ob ein FOSD vor Ort eingerichtet werde oder nicht. Man müsse unterscheiden zwischen der objektiven und der subjektiv gefühlten Sicherheit. Bürger auf Streife könnten eventuell das subjektive Sicherheitsgefühl erhöhen. Das Sicherheitsgefühl sei nicht gering zuschätzen. Die Ausbildung von FOSD-Streifen könne an der Polizeiakademie erfolgen. Wichtig sei ein sorgfältiges Vorgehen bei der Auswahl geeigneter Freiwilliger. Über eine Unfall- und Haftpflichtversicherung sei die Tätigkeit eines FOSD abgesichert. „Die Polizei in Winsen ist gut aufgestellt und kann die Sicherheit auch ohne FOSD gewährleisten.“, so Freienberg. Wichtig sei jedoch generell eine „Kultur des Hinsehens“ in der Gesellschaft und mehr Anstrengungen im Bereich der Prävention: „Prävention ist Aufgabe aller, der Städte und Gemeinden, der Schulen, der Bürgerinnen und Bürger, also nicht nur der Polizei allein.“ Die Polizei Winsen arbeite gut und erfolgreich mit der Stadt, der Stadtjugendpflege, der Reso-Fabrik und anderen Akteuren und Verbänden zusammen.
Dirk Oertzen, SPD-Fraktionsvorsitzender im Winsener Stadtrat, lehnte die Einführung eines FOSD eindeutig ab. Öffentliche Sicherheit und Ordnung sei Aufgabe der Polizei, die dafür ausgebildet und qualifiziert sei, auch in kritischen Situationen einzugreifen. Der FOSD vermittele so etwas wie „Scheinsicherheit“, indem er eine Sicherheit suggeriere, die er in Wirklichkeit gar nicht gewährleisten könne.
In der anschließenden Diskussion wurden lebhaft die Argumente pro und contra FOSD ausgetauscht. Insgesamt überwog die Skepsis gegenüber dem, was ein FOSD überhaupt leisten kann.
Brigitte Somfleth, SPD-Landtagsabgeordnete aus Meckelfeld, wies auf die erfolgreiche Arbeit des Präventionsrates Seevetal hin. Dies stelle eine Alternative zum FOSD dar.
Die Winsener SPD lehnt weiterhin die Einführung eines FOSD ab und setzt stattdessen auf eine verbesserte Prävention. Stichpunkte hierzu sind eine Kultur des Hinsehens und Ansprechens, eine bessere Integration von Migranten, eine gute Jugendarbeit, Jugendsozialarbeiter und Konfliktlotsen in den Schulen. Auch bei der Stadtplanung und der Straßenbeleuchtung gibt es Möglichkeiten, die objektive Sicherheit und das Sicherheitsgefühl zu verbessern. Neben der Arbeit der Reso-Fabrik gebe es vorbildliche Projekte wie „Do the right thing“ der Stadtjugendpflege Winsen bzw. des Arbeitskreises Prävention Winsen oder das „Schutzengel-Projekt“ im Landkreis Harburg. Viele kleine Bausteine könnten so zu mehr Sicherheit beitragen. Der FOSD sei hingegen der falsche Weg.