Chancengleichheit und bedarfsgerechter Ausbau der Kinderbetreuung
Die SPD-Fraktion im Winsener Stadtrat wird einer Reduzierung oder sogar kompletten Streichung der Elternbeiträge für die Kinderbetreuungsplätze zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmen. Denn eine wichtige Vorraussetzung ist bisher nicht erfüllt:
„Solange wir in Winsen nicht in der Lage sind, allen Kindern einen Platz in einer Kinderbetreuungseinrichtung anzubieten, fällt es uns schwer, einer Senkung oder Abschaffung der Gebühren für bestehende Plätze zuzustimmen", so Dirk Oertzen, Fraktionsvorsitzender der SPD im Winsener Stadtrat. „Es ist den Eltern, die keinen Platz in einer Betreuungseinrichtung für Ihr Kind gefunden haben nicht zu vermitteln, dass eine Reduzierung oder Abschaffung – die ja aus dem Steueraufkommen gegenfinanziert werden müsste – gerecht ist. Wir wollen erst einen bedarfsgerechten Ausbau und dann die schrittweise Reduzierung der Beiträge für die Kinderbetreuung“, so Oertzen weiter.
Die diesjährigen Haushaltsberatungen haben gezeigt, dass Winsen zurzeit „sehr flexibel auf kurzfristige Bedarfe an zusätzlichen Betreuungsplätzen reagieren muss“. Leider erfolgt mit dieser flexiblen Reaktionsstrategie nicht immer ein systematischer und am mittelfristigen Bedarf orientierter Ausbau. Die SPD fordert deshalb eine detaillierte mittelfristige Bedarfsanalyse, damit Kindergarten-, Krippen- oder Hortplätze in der richtigen Anzahl und am richtigen Ort bereitgestellt werden können.
„Winsens ausgeprägte Ortsteilstruktur und die ganz unterschiedlichen Sozialstrukturen in den verschiedenen Stadt- und Ortsteilen erfordern auch im vorschulischen Bereich eine bedarfsorientierte Herangehensweise; ob beispielsweise eine Erweiterung der Einrichtung in Scharmbeck sinnvoll ist, oder ob eine zusätzliche Gruppe in Stöckte besser geeignet ist, dem Bedarf auch mittelfristig gerecht zu werden, soll zukünftig besser und früher erkennbar werden.
Insgesamt fehlende Plätze für Krippen- und Hortangebote in Winsen machen deutlich, dass weiterhin hohe Investitionen notwendig sind, die eine gleichzeitige Gebührensenkung derzeit ausschließen“ so auch Birgit Eckhoff, stv. Fraktionsvorsitzende.
Die SPD verspricht sich durch eine Bedarfsanalyse unter Einbeziehung der allgemeinen demografischen Entwicklung und der geplanten Baulandentwicklungen neben dem Aufstellen eines zeitlich transparenten Fahrplans zum Ausbau der Kapazitäten auch die Möglichkeit, das sich daraus ergebende Investitionsprogramm vorab einer breiten Diskussion zu unterziehen, um dafür dann auch eine breite Unterstützung in der Bevölkerung zu erhalten.
„Wir sehen in dem bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen einen wichtigen Baustein in der Verbesserung der Chancengleichheit im Bildungsbereich, aber auch in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, so Dirk Oertzen abschließend.
gez.
Dirk Oertzen Birgit Eckhoff
Fraktionsvorsitzender stv. fraktionsvorsitzende
(10.03.2012)
Ergänzung zum Thema:
Liebe(r) interessierte(r) Leser(in),
stellen Sie sich eine junge Familie vor: Mutter, Vater und Kind von etwa zwölf Monaten. Der Vater verdient im Augenblick ganz ordentlich, die Mutter möchte bald wieder ins Arbeitsleben zurückkehren. Was braucht diese Familie? – Wichtig ist ein Platz für das Kind in der Krippe. Wie hoch der Elternbeitrag dafür ist, ist für diese Familie zunächst einmal weniger wichtig.
Hoffentlich ist es Ihnen nicht schwergefallen, sich diese Familie vorzustellen: Die meisten Winsener kennen solche Familien in ihrem Bekanntenkreis. Stellen Sie sich jetzt bitte eine alleinerziehende Mutter vor. Für sie ist es wahrscheinlich noch viel wichtiger, wieder eine Arbeitsstelle antreten zu können. Bis ihr Kind in die Schule kommt, braucht auch sie am dringendsten einen Platz in der Kinderbetreuung für ihr Kind.
Die Alternative – die Mutter bleibt zu Hause – ist ein Modell aus dem vorigen Jahrhundert und war damals schon oft genug den Privilegierten vorbehalten. Aber für die gut ausgebildeten jungen Frauen des 21. Jahrhunderts wünschen wir uns etwas Anderes: Die Familie soll mit einer beruflichen Tätigkeit vereinbar sein. Deshalb steht der Ausbau des Angebots für uns im Vordergrund.
Das heißt aber nicht, dass wir alles andere vergessen hätten: Wir brauchen Kitas, in denen Kinder so lange untergebracht werden können, dass unsere alleinerziehende Mutter auch ganztags arbeiten kann. Wir brauchen eine bessere Ausstattung der Kitas und eine bessere Ausbildung (und Bezahlung) der Betreuer(innen), damit die Kitas die Chancen der frühkindlichen Bildung bestmöglich ausnutzen. Und wir brauchen langfristig auch eine Beitragsfreiheit zumindest für einen Teil der Kita-Plätze, weil auch die Beiträge für den einen oder anderen eine zu hohe Hürde sind. Das alles sind Fragen der sozialen Gerechtigkeit.
Sie können sich vorstellen, dass dies alles viel zu teuer für eine Stadt wie Winsen ist. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung. Die Union gibt auf Bundes-Ebene durch die sog. „Herdprämie“ zum Beispiel lieber Gelder direkt an die Mütter weiter, die ihre Kinder zu Hause behalten statt diese Mittel in mehr und bessere Kitas zu investieren.
Damit wir möglichst viel von unseren Plänen umsetzen können, brauchen wir möglichst bald neue, sozialdemokratisch geführte Regierungen in Niedersachsen und in ganz Deutschland. Deutschland gilt nicht als kinder- und familienfreundlich – das ist die Folge einer verfehlten Familienpolitik der Union. Und Niedersachsen gehört zu den Bundesländern mit der am schlechtesten ausgebauten Kinderbetreuung – auch das hat vor allem die CDU mit ihrem überholten Frauen- und Familienbild zu verantworten.
In Winsen haben unionsgeführte Mehrheiten lange Zeit ebenso argumentiert und die Kinderbetreuung vernachlässigt, sodass die Verwaltung dem Rat heute nicht einmal genau sagen kann, wie hoch die Elternbeiträge insgesamt sind. Darüber hinaus weiß sie auch nicht, wie viele Familien längere Öffnungszeiten oder überhaupt einen Betreuungsplatz brauchen und wo in der Stadt der am besten anzubieten ist. Daher kam die Idee des folgenden SPD-Antrags, der leider während der vergangenen Ratssitzung von einer Mehrheit (unter CDU-Führung) abgelehnt wurde.
(15.03.2012)