Der Stadtrat befasste sich in seiner Sitzung am 11.12.2014 mit dem Haushalt für das Jahr 2015. Dazu im Folgenden die Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Benjamin Qualmann:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wiese, sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Schröder, sehr geehrte Damen und Herren,

in diesem Jahr stellen uns die Beratungen für den neuen Haushalt vor eine neue Herausforderung. Der Verwaltungsausschuss hat dem Rat einen Entwurf empfohlen, der ein Defizit von ca. 900.000 Euro hat und damit unterdeckt ist. Zudem beträgt die Neuverschuldung für Investitionen ca. 12 Millionen Euro. Da gilt es, klare Prioritäten zu setzen und Ausgaben zu unterlassen, die dieser Prioritätensetzung nicht entsprechen.

Die SPD-Fraktion hat mit Ihren Anträgen wichtige Handlungsfelder mit hoher Priorität für die Entwicklung unserer Stadt aufgegriffen. Handlungsfelder, auf denen es teilweise seit Jahrzehnten große Versäumnisse gibt.

Das erste Handlungsfeld betrifft das Platzangebot in den Horten der Grundschulen

Das Land Niedersachsen unterstützt den landesweiten Ausbau von Ganztagsschulen im Rahmen der „Zukunftsoffensive Bildung“ bis Ende 2017 mit rd. 260 Mio. Euro. Ebenfalls ist seit August 2014 auch die Errichtung einer teilgebundenen bzw. voll gebundenen Ganztagsschule zulässig. Diese neu eröffneten Wege geht die Stadt Winsen in den kommenden Jahren mit und wir begrüßen das ausdrücklich. Der Rat in diesem Jahr im Bereich Bildung bereits wichtige Entscheidungen getroffen – so wurden durch Beschluss letztendlich im Verwaltungsausschuss für bauliche Maßnahmen an den Grundschulen ca. 4,5 Millionen Euro angestoßen.

Nichtsdestotrotz gibt es akute, zusätzliche Handlungsnotwendigkeiten. Es fehlen ca. 100 Hortplätze in Winsen. Wenn die Mehrheit dieses Hauses nun auf die Ganztagsschulen verweist, hilft das den betroffenen Eltern heute und auch künftig nicht weiter. Zum einen starten die Ganztagsschulen erst Mitte 2016, zum anderen findet dort nur eine Betreuung bis 15:30 Uhr statt, was den heutigen Arbeitsrealitäten kaum entspricht. Für uns stehen Hort und Ganztagsgrundschule nicht alternativ zueinander. Hortplätze sind ein wichtiger integrierter Bestandteil der GTS – quasi als Ganztagsschule plus.

Und das bedeutet für uns, schon heute den Bedarf aufzunehmen und Lösungen zu schaffen. Diese insbesondere auch für die Übergangszeit. Über unseren Antrag zu diesem Thema wird heute Abend noch beraten – ich sage an dieser Stelle, stimmen sie ihm zu! Die Familienstadt Winsen darf keine Phrase sein, die Eltern sollen darauf vertrauen und sich darauf verlassen können. Von erfolgreicher Berufstätigkeit hängen nicht nur die Existenzen unserer Bürgerinnen und Bürger ab, sondern auch unsere Steuereinnahmen!

Das zweite Handlungsfeld betrifft das Wohnen in Winsen

Winsen ist ein attraktiver Wohnort für junge Familien, Senioren und auch eher einkommensschwacher Haushalte. Wir wissen allerdings nicht, ob wir als Rat die richtigen Weichen stellen. Ist die übliche Bauweise mit überwiegend Einfamilienhäusern auch die Richtige? Bekommt jeder den Wohnraum, den er benötigt? Die Stadt vermarktet seit Langem alle Baugebiete über Investoren, die halt mit dem Ansatz der Einfamilienhäuser den größtmöglichen Gewinn erzielen können. Wir müssen aber berücksichtigen, dass auf dem Winsener Wohnungsmarkt auch eine große Nachfrage insbesondere an bezahlbaren Mietwohnungen vorhanden sein wird. Diese werden bspw. von großen Familien, Singles, Senioren und jungen Menschen nachgefragt. Hinzu kommt der spezielle Bedarf, neuen Wohnraum für einkommensschwache Haushalte zu schaffen, um so allen Einwohnern ein menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen. Hier müssen wir als Stadt dringend handeln.

Aber auch mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung ist der Wohnungsbau von zentraler Bedeutung. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die heimischen Gewerbebetriebe und jene, die sich hier ansiedeln wollen, auch die passenden Arbeitskräfte finden können. Denn wenn der entsprechende Wohnraum für diese Arbeitskräfte fehlt, siedeln sich Unternehmen gar nicht erst bei uns an.

Es wird deshalb Zeit, dass wir die Entwicklung verlässlich klären. Wir brauchen Zahlen sowie ein Handlungskonzept, mit dem wir zielorientiert als Stadtrat und Verwaltung arbeiten können. Zudem müssen wir die Grundlage schaffen, selber Wohnraum zu entwickeln und zu bauen. Dafür ist eine städtische Wohnungsbaugesellschaft unverzichtbar. Nur so werden wir unabhängig von Investoren, die im Kern und dabei völlig nachvollziehbar, in erster Linie ihre finanziellen Interessen bedienen wollen.

Handlungsfeld drei ist das Zusammenleben unserer Stadtgesellschaft

Eine steigende Einwohnerzahl, wie wir sie zum Glück immer noch haben, geht natürlich auch mit einer sich stetig verändernden Stadtgesellschaft einher. Denn Zuzüge und Wachstum der Bevölkerung bedeuten auch, dass bspw. Menschen mit Migrationshintergrund und damit unterschiedlicher kultureller Anbindung in Winsen eine neue Heimat finden. Das bereichert uns als Stadtgesellschaft enorm! Bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich. Damit diese Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt eine Stimme bekommen, brauchen wir einen Migrationsrat. Damit schaffen wir eine Plattform, wo sich die Verantwortlichen der Kultur- und auch Religionsgruppen treffen und relevante Inhalte besprechen.

Die Partizipation soll dann am Ende bis in die Ausschüsse des Stadtrates reichen. Denn das ist bisher wenig bis gar nicht gegeben – weder über die Stadträte selbst noch über sachkundige Bürger. Die Vielfalt der Themen erfordert es, mehr miteinander zu reden und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Unser Vorschlag ist ein erster wichtiger Schritt, ein besseres und verständnisvolleres Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.

Handlungsfeld vier ist die Weiterentwicklung der Wirtschaftsförderung in Winsen

Auch mit diesem Handlungsfeld gehen wir ein Thema an, wo wir ein jahrelanges Versäumnis festgestellt haben. Die bisherigen personellen Kapazitäten reichen für die gestiegenen Ansprüche der Kreisstadt nicht mehr aus. Denn wir müssen uns hier breiter aufstellen, um den aktuellen und künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein. Unsere Ideallösung einer eigenen Stabsstelle Wirtschaftsförderung konnten wir zwar nicht durchsetzen, aber es wird heute Abend aller Voraussicht nach eine zusätzliche Planstelle geben.

Wenn wir die deutlichen Steuererhöhungen bedenken, die dem Haushalt 2015 zugrunde liegen werden, ist eine breiter ausgestellte Wirtschaftsförderung absolut der richtige Weg. Denn die Steuererhöhungen wären nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn die Grundausrichtung nicht endlich neu aufgestellt wird. Das bedeutet für uns, wir legen den Schwerpunkt auf die Ansiedelung neuer Betriebe. Damit erzielen wir nämlich zwei wichtige Effekte: 1. neue Arbeitsplätze in Winsen und 2. steigende Einnahmen bei der Gewerbesteuer.

Wie werden die Haushaltsberatungen nun weiter verlaufen

Ich stelle erstens fest: In den vorherigen Beratungen der Fachausschüsse wurden fast alle Anträge der SPD von der konservativen Mehrheit abgelehnt. Das bedeutet, dass dem Haushalt trotz Ausbauprogramm der Ganztagsschulen die sozialdemokratische Handschrift fehlt. Wir sind allein aus diesem Grund nicht bereit, die deutlichen Steuererhöhungen mitzutragen. Denn es gibt trotz einer Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger keine notwendige Korrektur bei der Hortbetreuung, keine notwendige Weiterentwicklung der Wohnungsbaupolitik und keine Verbesserungen im Zusammenleben in der Stadt. Lediglich der Kompromiss zum Wirtschaftsförderer wird eine Mehrheit finden, da der Antrag von einer Mehrheit mitgetragen wird.

Ich stelle zweitens fest: Der Mehrheit dieses Hauses fehlt ganz deutlich der Wille, Einsparungen vorzunehmen, um Steuererhöhungen zu mindern oder gar abzuwehren. Sie reden davon, setzen aber nichts um. Wenn sie mehrheitlich einen Haushalt beschließen wollen, sind sie in der Pflicht, auch ein deutliches Signal zu setzen, anstatt weiter fleißig das Füllhorn zu schwenken. Hier sollte sich insbesondere die CDU angesprochen fühlen. Die freiwilligen Leistungen durch Zuschussanträge werden erneut aufgestockt, man stellt spontan für die Bespaßung der Kreisverkehre zusätzliche 30.000 Euro ein und bringt für 25.000 Euro ein Gutachten auf den Weg, dass die Privatisierung diverser Verwaltungsbereiche prüfen soll, wie bspw. den Bauhof.

Anderes bleibt dagegen auf der Strecke. Ein gutachterlich nachgewiesener Personalmangel beim Bauhof wird nicht behoben – wenn man ihn privatisieren möchte eigentlich auch kein Wunder, Mittel zur Sanierung des Marstalls werden so weit gekürzt, dass kaum etwas umgesetzt werden kann. Dann wird weiter lediglich ein wenig Luft aus dem aus dem Haushalt herausgelassen und das Radverkehrsentwicklungskonzept ausgesetzt.

Das, meine Damen und Herren, ist in der Logik absolut inkonsequent. Wichtige Maßnahmen werden gekürzt, Unnötiges beschlossen.

Insgesamt stelle ich fest: Der Ratsmehrheit fehlt die Bereitschaft, Handlungsfelder mit langjährigen Versäumnissen endlich konsequent anzugehen. Zudem fehlt der Wille, wirklich Einsparungen vorzunehmen, was im Ergebnis nun zu deutlichen Steuererhöhungen führen wird.

Die SPD-Fraktion kommt deshalb nur zu einem Ergebnis: Wir werden diesen Belastungshaushalt ablehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.